Familienasyl

Nach einer legalen Einreise von Familienangehörigen, z.B. im Rahmen des Familiennachzugs zu Personen mit einer Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft oder einem subsidiären Schutz, oder auch nach Geburt eines Kindes von Schutzberechtigten stellt sich regelmäßig die Frage, ob ein Asylantrag für die neu eingereiste(n) bzw. neugeborene(n) Person(en) sinnvoll ist. Ein solcher Asylantrag führt unter bestimmten Umständen dazu, dass gemäß § 26 AsylG der Schutzstatus des sog. Stammberechtigten auf die neu eingereiste(n) bzw. neugeborene(n) Familienangehörigen übertragen wird.

Gemäß § 26 AsylG kann unter bestimmten Voraussetzungen folgenden Angehörigen einer in Deutschland schutzberechtigten Person (sog. stammberechtigte Person) Familienasyl gewährt werden:

  • EhegattInnen
  • eingetragenen LebenspartnerInnen
  • Eltern eines minderjährigen, unverheirateten Kindes
  • minderjährigen, unverheirateten Kindern und
  • minderjährigen, ledigen Geschwistern einer minderjährigen schutzberechtigten Person.
Familienasyl beantragen – ja oder nein?

Die Entscheidung, ob in einer der oben geschilderten Konstellationen ein Asylantrag gestellt werden sollte, hängt von verschiedenen Faktoren ab, weshalb in der Regel die Hinzuziehung einer Beratungsstelle bzw. eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin notwendig ist. 

Zu bedenken sind ganz generell folgende Faktoren:

  • Welchen Schutzstatus hat der/die Stammberechtigte?
    Diese Frage ist zum einen deshalb wichtig, weil eine Statusübertragung über das Familienasyl nur bei der Asylberechtigung, der Flüchtlingseigenschaft oder dem subsidiären Schutz in Betracht kommt. Beim nationalen Abschiebungsverbot ist das nicht möglich. Wichtig zu wissen ist in diesem Kontext auch: Gibt es einen stammberechtigte Person, hat man keinen Anspruch darauf, einen Schutzstatus zuerkannt zu bekommen, der besser ist als der der stammberechtigten Person. Zum anderen gehen mit den unterschiedlichen Status unterschiedliche Rechtsfolgen einher. Zum Beispiel erhalten nur Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention einen Blauen Pass, subsidiär Schutzberechtigte müssen sich in der Regel einen Pass ihres Heimatlandes beschaffen. Zumindest im Hinblick auf die Frage des Passes ergibt sich also aus der Übertragung des subsidiären Schutzes auf einen Familienangehörigen für diesen in der Regel kein Vorteil gegenüber einer familiären Aufenthaltserlaubnis. Je nach Schutzstatus des/der Stammberechtigten bietet das Familienasyl gegenüber der familiären Aufenthaltserlaubnis Vorteile, bspw. in den Bereichen Aufenthaltsverfestigung und Ausweisungsschutz.
  • Wie lange ist die Schutzgewährung des/der sog. Stammberechtigten her und gibt es Indizien für einen Wegfall der Gefährdung im Heimatland?
    Dies ist deshalb wichtig, weil der Antrag auf Familienasyl dem BAMF Anlass geben kann, ein Widerrufsverfahren gemäß § 73 AsylG für den Stammberechtigten einzuleiten (>> Nach der Anerkennung des Asylantrags). Je länger die Schutzgewährung her ist, desto wahrscheinlich ist die Einleitung eines Widerrufsverfahrens.
  • Ist ein Nachzug von weiteren Angehörigen der Kernfamilie erwünscht?
    Diese Konstellation ist insbesondere bei als GFK-Flüchtlingen anerkannten unbegleiteten Minderjährigen relevant. Diese haben gemäß § 36 Abs. 1 AufenthG einen Anspruch auf Nachzug der Eltern, der allerdings die minderjährigen Geschwister nicht miteinbezieht. Häufig wird in der Praxis deshalb ein sog. „Kaskadennachzug“ durchgeführt, d.h. die Eltern oder ein Elternteil reist zum/zur unbegleiteten Minderjährigen nach, stellt dann unverzüglich nach der Einreise einen Asylantrag, erhält im Wege des Familienasyls denselben Status wie der/die ehemals Unbegleitete und holt dann den Rest der Familie nach.
Voraussetzungen für Familienasyl

Eine grundlegende Voraussetzung ist, dass die Anerkennung des/der sog. Stammberechtigten unanfechtbar ist, d.h. es können keine Rechtsmittel mehr eingelegt werden (z.B. eine Klage). Außerdem darf kein Widerruf und keine Rücknahme des Schutzstatus des Stammberechtigen erfolgt sein. Was die anderen Voraussetzungen angeht, gelten je nach Verwandtschaftsverhältnis andere Voraussetzungen.

Um den Schutzstatus von dem/der EhepartnerIn abzuleiten, muss die Ehe schon im Herkunftsstaat bestanden haben und der/die EhepartnerIn muss vor der Anerkennung des/der Stammberechtigten eingereist oder den Asylantrag unverzüglich („ohne schuldhaftes Zögern“) nach der Einreise gestellt haben. Bei Familienmitgliedern, die über ein Visum zum Familiennachzug einreisen, bedeutet dies laut Dienstanweisung Asyl des BAMF, dass der Antrag innerhalb von drei Monaten nach der Einreise gestellt werden muss. In anderen Fällen geht man von einer Zweiwochenfrist aus. Wird die Frist unverschuldet überschritten, kann im Einzelfall ein längerer Zeitraum auch noch als unverzüglich gelten. In jedem Fall sollte aber immer rasch nach der Einreise geprüft werden, ob das Stellen eines Asylantrags sinnvoll ist.

Damit ein minderjähriges lediges Kind den Status von der stammberechtigten Person ableiten kann, ist es nicht nötig, unverzüglich nach der Einreise den Asylantrag zu stellen. Zum Zeitpunkt des Antrags auf Familienasyl muss das Kind allerdings noch minderjährig sein.

Die Eltern eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings können im Rahmen des Familienasyls denselben Status wie ihr Kind erhalten, wenn die Familie schon im Herkunftsland bestanden hat, und sie vor der Anerkennung des/der Stammberechtigten eingereist oder den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben (s.o). Dies gilt auch für minderjährige ledige Geschwister des/der minderjährigen Stammberechtigten. Die Eltern müssen außerdem die Personensorge für das Kind innehaben. Dies ist meist unproblematisch, wenn die Eltern wirksam miteinander verheiratet sind.

Ablauf des Familienasylverfahrens

Wenn man als Familienangehörige/r eines/r Schutzberechtigten einen Asylantrag stellen möchte, muss man unterschiedlich vorgehen, je nachdem welche Konstellation zutrifft:

  • Wenn die Familienangehörigen, die einen Asylantrag auf Familienasyl stellen möchten, einen Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von weniger als sechs Monaten haben, muss der Asylantrag gemäß § 14 Abs. 1 AsylG persönlich in einer Außenstelle des Bundesamtes gestellt werden. Dann entsteht gemäß § 47 Abs. 1 AsylG für eine bestimmte Zeit eine Wohnpflicht in einer Erstaufnahmeeinrichtung (>> Unterbringung und Wohnen). Dies betrifft viele Fälle, sodass sich die Familien nach der Einreise nochmal auf eine gewisse Zeit der Trennung gefasst machen müssen.
  • Wenn die Familienangehörigen, die einen Antrag auf Familienasyl stellen möchten, einen Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten haben, kann gemäß § 14 Abs. 2 AsylG schriftlich ein Asylantrag bei der Zentrale des BAMF in Nürnberg gestellt werden. In diesem Fall besteht keine Wohnpflicht in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende. Bei Personen, die über den Familiennachzug legal einreisen, werden in der Regel kürzere Visa zur Einreise erteilt, sodass diese Konstellation eher die Ausnahme ist.
  • Wenn alleineinreisende minderjährige Kinder eines/einer Stammberechtigten einen Antrag auf Familienasyl stellen wollen, können sie diesen gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 AsylG schriftlich bei der Zentrale des BAMF in Nürnberg einreichen. Wohnen dürfen sie ab Einreise bei ihren Eltern.

Bei Familienasylfällen kann das BAMF auf eine Anhörung verzichten, wenn es den Familienangehörigen über § 26 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen will (EU-Verfahrensrichtlinie Art. 14 Abs. 2). Ansonsten muss eine Anhörung durchgeführt werden. Um sicherzugehen, dass der Anspruch auf Familienasyl gewahrt wird, sollte man bei der Asylantragstellung darauf verweisen und den Anerkennungsbescheid des/der Stammberechtigten vorlegen. Bei der Anhörung sollten auch stets die individuellen Fluchtgründe und befürchteten Gefahren im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat vorgebracht werden. Sollte das BAMF nämlich kein Familienasyl gewähren, besteht immer noch die Chance, aufgrund einer individuell vorgetragenen Verfolgungsgefahr einen Schutz zu erhalten. Vor der Asylantragstellung sollte man sich bei einer Beratungsstelle bzw. einem Anwalt/einer Anwältin beraten lassen.

Familienasyl bei Geburt eines Kindes im Bundesgebiet

Wird ein Kind in Deutschland geboren und ein Elternteil oder beide hat bzw. haben eine Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft oder einen subsidiären Schutz, kommt im Falle einer Asylantragstellung Familienasyl in Betracht. Die Entscheidung, ob ein Asylantrag gestellt werden soll, hängt auch hier von vielen Faktoren (u.a. potenzielles Widerrufsverfahren des jeweiligen Elternteils) ab, weshalb unbedingt eine Beratung in Anspruch genommen werden sollte. Hier gibt es keine Frist für die Stellung des Asylantrags.

Soll kein Asylantrag für das neugeborene Kind gestellt werden, besteht die Option auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG. Diese Aufenthaltserlaubnis wird von Amts wegen erteilt, wenn beide Elternteile oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis haben. Wenn nur ein Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis hat, steht die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Ermessen der Behörde.

Für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG müssen in der Regel die Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG erfüllt sein, u.a. muss ein Pass vorliegen. Falls die Passbeschaffung unzumutbar ist (z.B. weil die Eltern beide anerkannte Flüchtlinge sind und die Botschaft nicht aufsuchen dürfen), kann (wenn nur einer der Elternteile eine Aufenthaltserlaubnis hat) bzw. muss (wenn beide Elternteile eine Aufenthaltserlaubnis haben) die Aufenthaltserlaubnis für das Kind abweichend vom fehlenden Pass ausgestellt werden (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG, Nr.  33.5).

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