Flüchtlingsarbeit in Baden-Württemberg

Wie managt man Integration?

Informationen zum Integrationsmanagement

Unter dem Slogan „Integrationsmanagement“ existiert seit Kurzem (endlich) eine landesweite Finanzierung für hauptamtliche Stellen in der Anschlussunterbringung. Wie aber managt man Integration und welche Möglichkeiten haben die neuen Hauptamtlichen

Am. 27. April 2017 hat das Land Baden-Württemberg den sogenannten „Pakt für Integration“ mit den kommunalen Landesverbänden geschlossen. Der „Pakt für Integration“ umfasst die vier Aufgabenbereiche „Bürgerengagement“, „Schule und Übergang zum Beruf“, „Sprache“ und das oben erwähnte Integrationsmanagement. Durch dieses sollen insgesamt 1000 hauptamtliche Stellen in Kommunen und Gemeinden geschaffen werden. Die Stellen werden für zwei Jahre ab Beschäftigungsbeginn finanziert. Es ist den Kommunen dabei freigestellt, ob die Integrationsmanager*innen direkt angestellt werden, die Stellen an freie Träger vergeben werden oder ob Kommunen das Landratsamt mit der Durchführung beauftragen.

Verwaltungsvorschrift zum Integrationsmanagement
Die Aufgaben des Integrationsmanagements sind in der „Zuwendungsrichtlinie des Ministeriums für Soziales und Integration zur Förderung des Integrationsmanagements in den Städten, Gemeinden und Landkreisen (VwV Integrationsmanagement) geregelt. Die VwV Integrationsmanagement können Sie auf der Internetseite „Pakt für Integration“ herunterladen. Aus der VwV Integrationsmanagement lässt sich die Vielzahl unterschiedlicher Organisationsformen vor Ort erklären. Im Sinne einer unabhängigen Flüchtlingssozialarbeit und des Subsidiaritätsprinzips wäre es wünschenswert gewesen, diese Aufgaben automatisch an freie Träger zu vergeben. Kapitel drei der VwV stellt es Kommunen aber frei, wer mit dem Integrationsmanagement beauftragt wird.

Ziel des Integrationsmanagements
Ein Ziel des Integrationsmanagements ist, „die Integration von Flüchtlingen vor Ort zu unterstützen und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern“ (Kapitel 1.1.). Am Ende des Absatzes heißt es zwar, dass es speziell darum gehe, die „Integration von Flüchtlingen mit Bleibeperspektive in Anschlussunterbringung“ zu unterstützen. Es existiert aber keine klare Definition des Begriffs der „Bleibeperspektive“. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass Leistungen des Integrationsmanagements allen Geflüchteten in der Anschlussunterbringung offenstehen, ohne dass fördertechnische Nachteile zu befürchten sind. Die Präambel des „Pakts für Integration“ weist in die gleiche Richtung.

Aufgabenbeschreibung Integrationsmanagement
Das Integrationsmanagement folgt dem Ansatz de Case-Managements. Nach der Vorstellung der Verwaltungsvorschrift sind die Aufgaben der Integrationsmanager*innen vielseitig. Grundlage für die Arbeit soll die „Feststellung von Bedarfen der zu beratenden Flüchtlingen in persönlichen Gesprächen“ sein (vgl. 4.4.1.). Konkret wird zum Beispiel die „Sozialberatung und -begleitung durch Einzelfallhilfe“ genannt. Dieser zentrale Punkt unterscheidet sich also wenig von den Aufgaben der Flüchtlingssozialarbeiter*innen in der vorläufigen Unterbringung. Die Beratung soll möglichst niederschwellig und in der aufsuchend erfolgen. Weitere Tätigkeiten der Integrationsmanager*innen sind nicht nur einzelfallbezogen. Häufig stehen vielmehr die Vermittlung von Beratungsangeboten im Vordergrund. Geflüchtete sollen einen Überblick über (ehrenamtliche und hauptamtliche) Unterstützungsmöglichkeiten erhalten. Die Integrationsmanager*innen haben also auch die Aufgabe, Netzwerkarbeit zu betreiben, Informationen weiterzugeben, zu vermitteln, zusammenzuführen und zu dokumentieren. Dafür soll optimalerweise ein „Integrationsplan“ erstellt werden (eine Vorlage des Integrationsplans kann ebenfalls auf der Internetseite zum Integrationsmanagement heruntergeladen werden). Im Integrationsplan werden zentrale Daten und Integrationsziele der Geflüchteten festgehalten, die gemeinsam besprochen werden. Wichtig ist: Sowohl die Datennennungen, die Arbeit am Integrationsplan als auch die grundsätzliche Teilnahme am Integrationsmanagement ist freiwillig. Dies ist ein Angebot für Geflüchtete. Ob sie es annehmen oder nicht, ist ihnen überlassen und kann und darf nicht mit Restriktionen verbunden sein.

Erfahrungen aus der Praxis – Flickenteppich oder Mosaik?
Wie der Verwaltungsvorschrift zu entnehmen ist, kann ein Integrationsmanagement vor Ort auf sehr unterschiedliche Arten erfolgen und interpretiert werden. In der Praxis führt dies oft zu Verwirrungen und Unklarheiten. Daher brachte die Tagung „Geflüchtete begleiten, Integration managen?!“ in Bad Boll, die traditionell vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg mit veranstaltet wird, Praktiker*innen zusammen und versuchte durch inhaltliche Vorträge und den Austausch in Workshops etwas mehr Klarheit zu schaffen. Die zu Beginn von Frau Dinzinger (Diakonie) aufgeworfene Frage wäre auch ein passender Titel der Tagung gewesen: Handelt es sich beim Integrationsmanagement um ein Mosaik verschiedener Ideen, die sich gut ergänzen, oder vielmehr um ein Flickenteppich divergierender Modelle und Zuständigkeiten, die Chaos verursachen?

Viele (beantwortete und unbeantwortete) Fragen
Viele Ehren- und Hauptamtliche sind unsicher, welche Aufgaben ein*e Integrationsmanager*in optimalerweise übernehmen sollte. Und die Tagung zeigte, dass auch viele Integrationsmanager*innen dieses Problem haben. Es herrscht noch immer Unklarheit darüber, wer die genaue Zielgruppe des Integrationsmanagements ist. Es ist aber zu erwähnen, dass alle Geflüchteten in der Anschlussunterbringung beraten werden können (unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Ankunft in der Kommune). Auf telefonische Nachfrage stellte dies der zuständige Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Stuttgart noch einmal klar. Unklarheiten bestehen auch weiterhin im Hinblick auf den Datenschutz. Nach Auskunft des Sozialministeriums ist „die Einhaltung des Datenschutzes unbedingte Voraussetzung für die Durchführung des Integrationsmanagements.“ Zuständig für deren Einhaltung seien die Kommunen. Damit ein Vertrauensverhältnis entstehen kann, aber auch damit Sozialarbeiter*innen keine strafrechtlichen Probleme bekommen, ist es entscheidend, dass ausschließlich die Integrationsmanager*innen auf die von ihnen erhobenen Daten zugreifen können.

Anregungen aus der Praxis
Teilnehmer*innen der Tagung betonten die Bedeutung und Wichtigkeit einer dauerhaften Finanzierung hauptamtlicher Strukturen für Geflüchtete in der Anschlussunterbringung. Diese Ressourcen eröffnen neuen Chance und Möglichkeiten für eine professionelle Beratung, notwendige Unterstützung und idealerweise sogar die Entlastung ehrenamtlicher Strukturen. Nun sei es aber wichtig, Konzepte für eine dauerhafte Finanzierung zu entwickeln.
Für Integrationsmanager*innen sei es entscheidend, die Beratung unabhängig und sanktionsfrei anbieten und durchführen zu können. Sonst sei es unmöglich, ein Vertrauensverhältnis herzustellen. Da es Befürchtungen gibt, dass einige Träger die Unabhängigkeit und Anonymität der Beratung nicht ausreichend gewährleisten, aber auch um positive Beispiele rückmelden zu können, regten Teilnehmer*innen der Einrichtung einer „Feed-Back und Beschwerdestelle“ beim Sozialministerium an. In der VwV Integrationsmanagement ist Evaluation und wissenschaftliche Begleitung erwünscht und vorgesehen, was ebenfalls für eine solche Stelle spricht. Auch wünschen sich Integrationsmanager*innen einen besseren Austausch untereinander und bessere Beratungsstrukturen.

Fazit und Ausblick
Es ist begrüßenswert, dass durch dieses Programm endlich eine Finanzierung hauptamtlicher Stellen in der Anschlussunterbringung sichergestellt ist – wenn auch leider nur vorübergehend. Entscheidend wird nun sein, die Spielräume sinnvoll zu nutzen. So könnte es an Standorten mit guten Beratungsstrukturen sinnvoll sein, dass Integrationsmanager*innen ausschließlich als Koordinator*innen agieren. An vielen andere Stellen mit unzureichender Beratungsstruktur muss die asyl- und ausländerrechtliche Beratung dagegen ein zentraler Inhalt der Beratung sein, da sonst am Bedarf der Geflüchteten vorbei gearbeitet wird. Es gilt nun, eine sinnvolle Aufgabenverteilung zu finden, die Vielfalt und die Spielräume zu sehen und auch von Seiten der Ehrenamtlichen einzufordern und so eine bessere Beratungsstruktur vor Ort zu schaffen.

An wen kann ich mich bei Fragen und Unklarheiten wenden?
Falls Sie Fragen zum Integrationsmanagement haben, sei zuerst auf die dazugehörige Homepage des Sozialministeriums verwiesen. Dort finden Sie unter anderem die VwV Integrationsmanagement, Vorlagen für die praktische Arbeit und die Beratungshotline zum Integrationsmanagement (09342/900-257).
Selbstverständlich können Sie sich bei Fragen oder Unsicherheiten auch an uns wenden. Wir interessieren und sowohl für positive als auch für negative Rückmeldungen aus der Praxis.

Der Artikel wurde im Rahmen des Projekts „Welcome“ geschrieben und im Rundbrief 1/2018 veröffentlicht. Das Projekt „Welcome“ wird gefördert im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union (AMIF).

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