Flüchtlingsarbeit in Baden-Württemberg

Pressemitteilung der Konstanzer Seebrücke: Gespräch und Kunstaktion zur Menschenwürde

Die Kunstaktion „Würde“ im Konstanzer Stadtgarten wurde von der Seebrücke, der Stabsstelle Konstanz International und Gemeinderat Normen Küttner von der Freien Grünen Liste (FGL) auf den Weg gebracht. Idee und Rahmen für die gemeinsame Umsetzung stammt von Designer und Künstler Bert Binnig, der in Konstanz vor allem durch seine Fassadengestaltungen mit großformatigen Gesichtern und die Aktion „Kreuztanz“ 2020 am Lockdown-Grenzzaun zwischen Konstanz und Kreuzlingen bekannt wurde.

Mit Unterstützung von zahlreichen ehrenamtlichen Helfer:innen, Handwerksbetrieben und der Bodensee-Schiffsbetriebe GmbH (BSB) wurde aus über 300 Rettungswesten das Wort „Würde“ gebaut und vor dem Stadtgarten im Bodensee verankert.

Die Rettungswesten kamen überwiegend von der Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye e.V. aus Hamburg, Leipzig und Spanien. Einige davon waren bei Rettungsaktionen von Sea-Eye bereits im Mittelmeer im Einsatz.

Die Initiator:innen der Aktion sowie Sea-Eye e.V. und Save me Konstanz e.V. betrieben über den Zeitraum der „Würde“-Installation von 12 bis 16 Uhr Informationsstände am Seeufer im Stadtgarten. Die Aktion wurde musikalisch begleitet von Trio Abou Hassoun. Die Schirmherrschaft hatte der Konstanzer Bürgermeister Dr. Andreas Osner.

In einer gemeinsamen Erklärung der Initiator:innen heißt es: „Mit der Aktion möchten die Veranstalter:innen auf das Schicksal der geflüchteten Menschen auf dem Mittelmeer und die zivilgesellschaftliche Seenotrettung aufmerksam machen, die oft von unwürdigen Diskussionen begleitet, angefeindet und kriminalisiert wird. Dabei ist klar, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft gleichwürdig sind und dass es keine Option ist, Menschen in Seenot ertrinken zu lassen. Gleichzeitig steht die Aktion für Teilhabe und sozialen Zusammenhalt.“

Bereits am Donnerstagabend (30.9.) fand ein à Gespräch mit Diskussion über Flucht, Seenotrettung und den Sicherer Hafen Konstanz“ im Wolkensteinsaal im Kulturzentrum am Münster in Konstanz statt. Veranstalter war die Konstanzer Seebrücke – schafft sichere Häfen in Kooperation mit der Stabsstelle Konstanz International, dem Kulturamt der Stadt Konstanz und der Volkshochschule Landkreis Konstanz e.V..

Im Mittelpunkt der gut besuchten Veranstaltung stand die Fluchtgeschichte des 27-jährigen Gabriel Endurance aus Nigeria. Er wurde im April 2019 vom Rettungsschiff Alan Kurdi der Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye e.V. mit über 60 anderen Geflüchteten aus einem Schlauchboot auf dem Mittelmeer gerettet.

Gabriel Endurance berichtete von seiner Flucht durch die Sahara und von der Bedrohung durch Kriminelle, die ihn drei Monate gefangen hielten und versuchten Geld von seinen Angehörigen zu erpressen. Geflüchtete sind in Libyen oft schutzlos Gewalt und Kriminalität ausgesetzt. Für Gabriel Endurance war dies der Grund die lebensbedrohliche Flucht auf das Mittelmeer zu wagen: „Mir war klar, dass die Chance in Europa anzukommen bei unter 30 % liegt. Dennoch war es der einzige Ausweg“, so der Geflüchtete, der seit seiner Rettung von der Besatzung der Alan Kurdi in Engen im Landkreis Konstanz lebt.

Landrat Zeno Danner verfolgte das Gespräch und erklärte, dass seine Motivation zur Hilfe die Bilder des 2015 leblos am Strand liegenden dreijährigen kurdischen Jungen Alan Kurdi waren. Diese hätten ihn auch zu einer Patenschaft für das gleichnamige Schiff der Hilfsorganisation Sea-Eye e.V. durch den Landkreis Konstanz bewogen.

Dr. David Tchakoura, Leiter der Stabsstelle „Konstanz International“ unterstrich auch für die Stadt Konstanz eine weitere Unterstützung der zivilen Seenotrettung und die Teilnahme am „Bündnis Städte Sicherer Häfen“. Die Stadt Konstanz spielt im bundesweiten Bündnis eine aktive Rolle.

Im Gespräch mit Moderator Jürgen Weber von der Konstanzer Seebrücke war auch eine Seenotretterin, die Gabriel Endurance im April 2019 mit der Alan Kurdi vom Schlauchboot gerettet hat. Die Vertreterin der Hilfsorganisation Sea-Eye e.V. forderte von der neuen Bundesregierung die staatliche Seenotrettung wieder aufzunehmen und ziviles Engagement auf dem Mittelmeer damit überflüssig zu machen: „Die Logistik dafür ist vorhanden“.

Gabriel Endurance hat inzwischen eine Ausbildung zum Stuckateur bei der Firma Sauter GmbH in Singen begonnen. Geschäftsführer Josef Steidle bemängelte während der Veranstaltung Bleibeperspektiven für seine geflüchteten Auszubildenden. „Wer garantiert mir, dass diese nicht mehr abgeschoben werden?“, fragte er in Richtung der Behörden.

Nach seinen Wünschen befragt, hoffte Gabriel Endurance bald eine eigene Wohnung als Anschlussunterbringung zu finden und seine Frau nach Deutschland holen zu können. Diese sieht er seit über vier Jahren nur über den Instant-Messaging-Dienst „Skype“.

 

Das Städtebündnis Sicherer Häfen vereint bundesweit Kommunen, Gemeinden und Landkreise, welche sich mit der Initiative Seebrücke und der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer solidarisieren. Derzeit nehmen 267 Kommunen, Gemeinden und Landkreise teil. Die Stadt Konstanz ist darin als Beraterin für rechtliche Möglichkeiten von Patenschaften von zivilen Rettungsschiffen sehr gefragt. Stadt und Landkreis Konstanz unterhalten solche Patenschaften zur Hilfsorganisation Sea-Eeye e.V.

Die Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye e.V. ist eine zivile Hilfsorganisation, die sich 2015 gegründet hat, um dem Sterben im Mittelmeer nicht länger tatenlos zuzusehen. Auf der tödlichsten Fluchtroute der Welt sucht die Organisation nach Menschen in Seenot und kämpft gegen den täglichen Verlust von Menschenleben auf See. „Unser Handeln ist eine Antwort auf die gescheiterte Migrationspolitik der Europäischen Union, die sich ihrer Verantwortung für die tausenden Todesfälle im Mittelmeer verweigert.“

Die Ortgruppe „Konstanzer Seebrücke – schafft sichere Häfen“ ist Teil einer internationalen Bewegung aus der Zivilbevölkerung. Wir fordern sichere Fluchtwege, eine Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme von geflüchteten Menschen. Die „Konstanzer Seebrücke – schafft sichere Häfen“ unterstützt die Stadt Konstanz im „Bündnis Städte sicherer Häfen“ und betreut aus Seenot Gerettete wie den Geflüchteten Gabriel Endurance im Landkreis im Asylverfahren und bei der Integration.

Weitere Infos und Video- und Fotomaterial zu den vorbeschriebenen Aktivitäten unter konstanz@seebruecke.org

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