Nach der Anerkennung des Asylantrags – Familienzusammenführung, Sozialleistungen, weitere Aufenthaltsverfestigung

Im Asylverfahren können vier verschiedene Schutzstatus zugesprochen werden (>> Das Flüchtlingsrecht – Anerkennung und Ablehnung): die Asylberechtigung (Art. 16a GG), die Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), der subsidiäre Schutz (§ 4 AsylG) oder ein nationales zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot (§ 60 Abs. 5, 7 AufenthG). Folge ist in aller Regel die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Form eines sogenannten elektronischen Aufenthaltstitels (eAT). Im Übrigen knüpfen an die Schutzformen aber höchst unterschiedliche Rechte und Pflichten an, die im Folgenden dargestellt werden.

Unterscheidung Anerkennung und Aufenthaltserlaubnis

Spricht das BAMF im Asylverfahren Schutz zu, wird der/dem AntragstellerIn dies in einem Bescheid, der ihm oder ihr in der Regel zugestellt wird, mitgeteilt. Der Bescheid mit der (teilweise) positiven Entscheidung des BAMF ist noch nicht die Aufenthaltserlaubnis, sondern nur Voraussetzung dafür, dass die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilen kann. Zwar gilt der Aufenthalt des/der „Anerkannten“ häufig schon mit der Anerkennung als erlaubt (§ 25 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG), bis man die Aufenthaltserlaubnis aber tatsächlich in den Händen hält, vergehen regelmäßig Wochen, teilweise sogar Monate. Die Entscheidung des BAMF und die anschließend erteilte Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde – dies ist das Landratsamt bzw. in den Stadtkreisen und großen Kreisstädten die Stadtverwaltung – sind unbedingt auseinander zu halten. Die Unterscheidung ist insbesondere beim (privilegierten) Familiennachzug wichtig. Die dort einzuhaltende Drei-Monatsfrist (§ 29 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AufenthG) wird nämlich durch die Bekanntgabe des BAMF-Bescheids, mit dem die Asylberechtigung oder die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, in Gang gesetzt – und eben nicht erst durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis!

Immer wieder kommt es vor, dass Personen mit Schutzstatus die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verwehrt wird, weil sie die Passpflicht nicht erfüllen. Da Personen mit Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung Anspruch auf einen blauen Flüchtlingspass haben, betrifft dieses Problem vor allem Personen mit subsidiärem Schutz oder Abschiebungsverbot. Von ihnen wird in der Regel erwartet, dass sie die Passpflicht durch die Beschaffung eines Reisepasses ihres Herkunftsbundeslandes erfüllen. Allerdings darf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in diesen Fällen nicht von der Erfüllung der Passpflicht abhängig gemacht werden. Das geht aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 S. 1 AufenthG hervor, wonach bei Personen mit Aufenthaltstiteln nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 von den in § 5 Abs. 1 und Abs. 2- formulierten Regelerteilungsvoraussetzungen (zu denen die Passpflicht gehört) zwingend abzusehen ist.

Rechte und Pflichten nach der Anerkennung

Welche Rechte und Pflichten im Anschluss an das Asylverfahren bestehen, hängt davon ab, wie „erfolgreich“ es war, welche Schutzart das BAMF einem also gewährt hat.

1. Asylberechtigung (Art. 16a GG) und Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylG)

Mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Asylberechtigung sind identische Rechte und Pflichten verbunden. Für Betroffene macht es in der Sache deshalb keinen Unterschied, ob sie als Asylberechtigte/r oder Flüchtling anerkannt werden.

In beiden Fällen besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AufenthG: „ist zu erteilen“), die für drei Jahre ausgestellt wird (§ 26 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach Ablauf der drei Jahre wird die Aufenthaltserlaubnis für weitere drei Jahre verlängert, sofern nicht ausnahmsweise schon die Voraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis erfüllt sind und die Umstände, die zur Anerkennung geführt haben, weiterhin vorliegen. Dabei muss die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis – und das gilt für jeden anderen Aufenthaltstitel auch – immer rechtzeitig, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch gilt, bei der Ausländerbehörde beantragt werden. Bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde gilt der Aufenthaltstitel und damit verbundene Rechte, etwa die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit, als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Es besteht ein Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung über diese Wirkung, einer sogen. Fiktionsbescheinigung (§ 81 Abs. 5 AufenthG).

Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt automatisch zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, d.h. sowohl zu einer abhängigen Beschäftigung als auch zu einer selbstständigen Tätigkeit (§ 25 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 2 und § 2 Abs. 2 AufenthG). Es besteht ein Anspruch – und häufig auch die Pflicht – zur Teilnahme an einem Integrationskurs (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 c), § 44a Abs. 1 AufenthG). Der Teilnahmeanspruch erlischt – sofern man keine „Entschuldigungsgründe“ hat – ein Jahr nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (§ 44 Abs. 2 AufenthG).

Sozialrechtlich sind anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte deutschen Staatsangehörigen weitgehend gleichgestellt. Sie scheiden mit rechtskräftiger Anerkennung aus dem Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes aus (§ 1 Abs. 3 AsylbLG, § 25 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylG) und fallen in unsere normalen sozialrechtlichen Sicherungssysteme. Kann der Lebensunterhalt also nicht (vollständig) aus eigener Kraft gesichert werden, besteht ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Abs. 1 SGB II), bei Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB XII. Für einen nahtlosen Leistungsbezug sollte nach der Anerkennung unverzüglich ein Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt werden (Jobcenter/Sozialamt). Es besteht ebenfalls Zugang zu BAföG und Leistungen der Berufs- und Ausbildungsförderung, wenn die persönlichen Voraussetzungen (z.B. Altersgrenze) erfüllt sind.

Wie bereits erwähnt, liegt zwischen der Anerkennung durch das BAMF und der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis häufig ein relativ langer Zeitraum. Der Aufenthalt gilt aber kraft Gesetzes bereits ab der Anerkennung als erlaubt (§ 25 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Personen sind also bereits mit der Anerkennung so zu behandeln, als hätten Sie die Aufenthaltserlaubnis schon in den Händen. In der Praxis wird für diesen Übergangszeitraum meist eine Bescheinigung über die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis oder eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt.

Anerkannten Flüchtlingen und Asylberechtigten steht das Recht auf Familiennachzug weiterhin uneingeschränkt zu. Hieran hat auch das „Asylpaket II“ nichts geändert, das den Familiennachzug „nur“ zu subsidiär Schutzberechtigten aussetzt.

Als Flüchtling und Asylberechtigte/r hat man Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge, den berühmten „blauen Pass“ (Art. 28 Genfer Flüchtlingskonvention = GFK, § 2 Abs. 1 AsylG). Dieser ermöglicht das Reisen nach Maßgabe der jeweiligen Visabestimmungen. Eine Reise in den Herkunftsstaat ist aber nicht möglich, was auch ausdrücklich im Reiseausweis vermerkt wird. Reisen in das Herkunftsland (= das „Verfolgerland“) gefährden den Status als Flüchtling oder Asylberechtigte/r. Hiervon ist also dringend abzuraten. Aus demselben Grund ist Vorsicht bei der Nutzung und Verlängerung des eigenen Nationalpasses geboten, der der/dem BesitzerIn spätestens nach der Anerkennung wieder auszuhändigen ist.

2. Subsidiärer Schutz (§ 4 Abs.1 AsylG)

Die Rechte und Pflichten beim subsidiären Schutz entsprechen in vielerlei Hinsicht denen bei der Flüchtlingsanerkennung oder Asylberechtigung. In einigen Punkten sind die Rechtspositionen beim subsidiären Schutz aber deutlich schwächer. Dies ist ein Grund, warum eine Klage gegen die Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung sinnvoll sein kann, wie dies aktuell häufig bei syrischen Staatsangehörigen geschieht, die ja „wie von Zauberhand“ plötzlich vielfach nur noch den subsidiären Schutz zugesprochen bekommen.

So besteht ebenfalls ein strikter Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG: „ist zu erteilen“), die ebenfalls automatisch, d.h. ohne gesonderte Erlaubnis durch die Ausländerbehörde, zur Erwerbstätigkeit berechtigt. Allerdings wird die Aufenthaltserlaubnis bei erstmaliger Erteilung nur für ein Jahr, bei Verlängerung dann für zwei weitere Jahre ausgestellt (§ 26 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Den Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hat auch, wer gegen den BAMF-Bescheid mit dem Ziel, die weitergehende Flüchtlingseigenschaft zu erhalten, Klage – in der Praxis fälschlicherweise häufig auch als „Widerspruch“ bezeichnet - erhebt. Die Ausländerbehörde darf die Aufenthaltserlaubnis nicht – wie dies bisweilen in der Praxis zu beobachten ist – unter Hinweis auf das teilweise noch bei Gericht anhängige Asylverfahren verweigern. Das ergibt sich u.a. aus § 10 Abs. 1 AufenthG, denn der subsidiäre Schutzstatus wird bestandskräftig, sodass ein Anspruch auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 2 AufenthG besteht. Der subsidiäre Schutzstatus kann im gerichtlichen Verfahren auch nicht wieder verloren gehen; dort kann man sich also nur „verbessern“.

Ebensowenig darf die Ausländerbehörde die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für eine Person mit subsidiärem Schutz verweigern mit der Begründung, dass kein Pass vorliegt. Subsidiär Schutzberechtigte sind zwar in der Regel verpflichtet, sich um einen Pass ihres Herkunftsstaates zu bemühen, allerdings darf das Vorliegen des Passes nicht zur Voraussetzung für die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemacht werden. In § Abs. 3 AufenthG steht, dass der ansonsten geltende Grundsatz, dass ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden kann, wenn ein gültiger Pass vorliegt, nicht auf Personen anwendbar ist, die Aufenthaltstitel nach § 24 und § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG besitzen – worunter auch Personen mit subsidiären Schutz fallen.

Einer der gravierendsten Nachteile gegenüber anerkannten Flüchtlingen/Asylberechtigten besteht beim Familiennachzug. Dieser ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich, und zwar für maximal 1000 Personen im Monat. Näheres dazu im Kapitel "Familiennachzug" unten auf dieser Seite.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Deutschland subsidiär Schutzberechtigten nicht automatisch ein Reisedokument ausstellt. Sie werden grundsätzlich darauf verwiesen, bei ihrer „Heimatbotschaft“ die Verlängerung bzw. Ausstellung des Reisepasses zu beantragen. Nur wenn sie dort keinen Nationalpass erhalten können, z.B. weil ihnen die Beantragung nicht zumutbar ist, wird ein „Reiseausweis für Ausländer“, der umgangssprachlich „grauer Pass“ genannt wird, ausgestellt (§ 5 und § 6 AufenthV sowie Art. 25 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie).

Schließlich sind die Voraussetzungen, unter denen subsidiär Schutzberechtigte eine Niederlassungserlaubnis erhalten, strenger als bei anerkannten Flüchtlingen/Asylberechtigten (siehe unten: Aufenthaltsverfestigung).

3. Nationaler zielstaatsbezogener Abschiebungsschutz (§ 60 Abs. 5, 7 AufenthG)

Der schwächste Schutz, der einem im Asylverfahren gewährt werden kann, ist das nationale zielstaatsbezogene Abschiebungsverbot. Mit ihm gehen die wenigsten Rechte einher. Zwar wird in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn das BAMF ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot feststellt. Es besteht aber kein strikter Rechtsanspruch, denn das Gesetz sagt nicht, dass die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen „ist“, sondern dass sie erteilt werden „soll“ (vgl. § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) und zwar mindestens für ein Jahr (§ 26 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht automatisch zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, wobei die erforderliche Erlaubnis hierfür regelmäßig erteilt wird. Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG haben zudem keinen Anspruch auf einen Integrationskurs. Auch in anderen Bereichen, etwa beim Zugang zu BAföG, bestehen Nachteile gegenüber den zuvor genannten Gruppen.

Nicht zulässig ist es, wenn die Ausländerbehörde die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für eine Person mit Abschiebungsverbot verweigert mit der Begründung, dass kein Pass vorliegt. Menschen mit Abschiebungsverbot sind zwar in der Regel verpflichtet, sich um einen Pass ihres Herkunftsstaates zu bemühen, allerdings darf das Vorliegen des Passes nicht zur Voraussetzung für die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemacht werden. In § Abs. 3 AufenthG steht, dass der ansonsten geltende Grundsatz, dass ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden kann, wenn ein gültiger Pass vorliegt, nicht auf Personen anwendbar ist, die Aufenthaltstitel nach § 24 und § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG besitzen – worunter auch Personen mit Abschiebungsverbot fallen.

Familiennachzug

Eine der drängendsten Fragen zu uns geflüchteter Menschen ist häufig, ob sie ihre Familienangehörigen „nachholen“ können. Solange das Asylverfahren noch läuft, ist ein Familiennachzug aus dem Ausland grundsätzlich nicht möglich. Eine Ausnahme stellt die Familienzusammenführung über die Dublin-III-Verordnung dar. Dafür müssen sich die Familienangehörigen aber bereits innerhalb des „Dublin-Raums“, z.B. in Griechenland, befinden und selbst einen Asylantrag gestellt haben.

Ansonsten ist ein Familiennachzug erst nach einer positiven Entscheidung über den Asylantrag möglich. Die typische Konstellation ist dabei die, dass sich die nachzugswilligen Familienangehörigen außerhalb Deutschlands, meist sogar außerhalb Europas aufhalten. Diese haben die Möglichkeit, von der/dem „Stammberechtigten“ – das ist diejenige Person, die sich in Deutschland aufhält – eine Aufenthaltserlaubnis, genauer: ein Visum, abzuleiten.

Ob die Möglichkeit eines Familiennachzugs besteht, hängt davon ab, wie erfolgreich das Asylverfahren ausgegangen ist und welche Familienangehörigen nachziehen sollen.

1. Ehegatten- und Kindernachzug

In rechtlicher Hinsicht die besten Chancen hat ein/e anerkannte/r Asylberechtigte/r oder Flüchtling, der EhegattIn bzw. minderjährige ledige Kinder nachholen möchte. In diesen Fällen sollte als allererstes immer der sog. fristwahrende Drei-Monats-Antrag (teilweise auch fristwahrende Anzeige genannt) sein. Die Drei-Monatsfrist beginnt dabei mit (bestandskräftiger) Zuerkennung der Asylberechtigung bzw. Flüchtlingseigenschaft, also in der Regel mit Erhalt des BAMF-Bescheids und nicht (!) mit der erst (viel) später erteilten Aufenthaltserlaubnis. Geht es um den Nachzug minderjähriger Kinder, die kurz vor der Volljährigkeit stehen, muss der fristwahrende Antrag unbedingt zu einem Zeitpunkt gestellt werden, zu dem die Person noch nicht volljährig ist. Die nach Antragstellung eintretende Volljährigkeit schadet dann nicht mehr. Der fristwahrende Antrag ist deshalb so wichtig, weil der/die Stammberechtigte dann von dem Nachweis befreit wird, ausreichenden Wohnraum zur Verfügung stellen und den Lebensunterhalt der nachziehenden Familienangehörigen sichern zu können, woran die Person häufig scheitern würde. Nach Ablauf der Frist steht es im Ermessen der zuständigen Behörden, ob von diesen Voraussetzungen befreit wird. Darauf sollte man es nicht ankommen lassen.

SyrerInnen können den fristwahrenden Antrag über ein eigens dafür eingerichtetes Internetportal des Auswärtigen Amtes unter dem Punkt „fristwahrende Anzeige“ stellen.

Das generierte PDF wird nicht von den Behörden gespeichert oder an diese versendet, sondern muss vom Flüchtling gespeichert, ausgedruckt und den Familienangehörigen zugesandt werden. Diese können es dann im Rahmen der notwendigen persönlichen Vorsprache bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung, bei SyrerInnen z.B. in der Türkei oder dem Libanon, als Nachweis für die Fristwahrung vorlegen.

Für andere Staatsangehörige gibt es kein eigenes Internetportal. Hier muss der fristwahrende Antrag deshalb selbst formuliert und dann an die zuständige Ausländerbehörde und vorsorglich auch die zuständige deutsche Botschaft versandt werden. Dabei sollte man unbedingt auf eine Eingangsbestätigung bestehen (Formulierungsbeispiel).

Bei der persönlichen Vorsprache müssen die Familienangehörigen dann weitere Unterlagen, wie die ausgefüllten Visumsantragsformulare, wenn möglich Nachweise über die familiäre Beziehung (Heiratsurkunde, Familienstammbuch) sowie einen Reisepass, in den das Visum eingetragen werden kann, vorgelegen. Teilweise ist es sehr schwer, diese Unterlagen zu beschaffen. Erschwert wird der Familiennachzug auch durch die langen Wartezeiten auf den Termin zur persönlichen Vorsprache, insbesondere in den Anrainerstaaten Syriens, die zudem den Grenzübertritt aus Syrien immer mehr erschweren. Die Terminvereinbarung ist von Botschaft zu Botschaft unterschiedlich. Ist man mit dem Thema Familiennachzug befasst, sollte man sich deshalb stets und regelmäßig die aktuellen Informationen und Hinweise auf der Homepage der jeweils zuständigen Botschaft anschauen.

Keinen Anspruch auf Familiennachzug von EhegattInnen und minderjährigen ledigen Kinder haben derzeit Personen mit subsidiärem Schutzstatus. Stattdessen beruht der Nachzug von subsidiär Schutzberechtigten nun gemäß §36a AufenthG auf dem Ermessen der Behörden. Monatlich können bis zu 1000 Aufenthaltserlaubnisse für Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten erteilt werden, ausgewählt werden diese Personen vom Bundesverwaltungsamt. Eine fristwahrende Anzeige ist nicht nötig, im Falle drohender Volljährigkeit empfiehlt es sich dennoch, einen schriftlichen Antrag zu stellen. Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag sind in erster Linie humanitäre Gründe. Einige Beispiele für solche humanitären Gründe sind laut § 36a Abs. 2 AufenthG:

  • Die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft ist seit langer Zeit nicht möglich.
  • Ein minderjähriges (unter 18) lediges Kind ist betroffen.
  • Leib, Leben oder Freiheit des Familienangehörigen sind im Aufenthaltsstaat gefährdet.
  • Der subsidiär Schutzberechtigte oder der Familienangehörige ist schwerwiegend erkrankt, pflegebedürftig oder schwer behindert.

Auch wenn ein humanitärer Grund vorliegt, wird ein Visum in der Regel nicht erteilt, wenn einer der in Abs. 3 genannten folgenden Ausschlussgründe vorliegt:

  • Die Ehe wurde nicht bereits vor der Flucht geschlossen.
  • Der subsidiär Schutzberechtigte wurde in Deutschland rechtskräftig wegen einer bestimmten vorsätzlichen Straftat verurteilt.
  • Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels an den subsidiär Schutzberechtigten ist nicht zu erwarten.
  • Der subsidiär Schutzberechtigte hat eine Grenzübertrittsbescheinigung beantragt.

Liegt ein humanitärer Grund vor und greift kein Ausschlussgrund, sind zusätzlich Integrationskriterien zu berücksichtigen (§ 36a Abs. 2 S. 4 AufenthG). Dabei werden sowohl Integrationsleistungen auf Seiten der nachzugswilligen Familienangehörigen als auch auf Seiten der Person in Deutschland berücksichtigt. Bei den Familienangehörigen sind zum Beispiel Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Beim subsidiär Schutzberechtigten kommen in Betracht:

  • die eigenständige Sicherung von Lebensunterhalt und Wohnraum auch für den nachziehenden Familienangehörigen,
  • besondere Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache,
  • gesellschaftliches Engagement,
  • ehrenamtliche Tätigkeit,
  • das nachhaltige Bemühen um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder
  • die Absolvierung einer Berufsausbildung.

Tendenziell negativ zu Buche schlagen strafrechtliche Verurteilungen unterhalb der oben genannten Schwellen.

Dokumente, die humanitäre Kriterien und Integrationsleistungen belegen, sollten bei subsidiär Schutzberechtigten gemeinsam mit anderen notwendigen Unterlagen (z.B. Pass oder Personenstandsurkunden) beim Botschaftstermin vorgelegt werden. Aspekte, die die nachzugswilligen Personen betreffen, werden von der Botschaft selbst geprüft, die für den subsidiär Schutzberechtigten zuständige Ausländerbehörde prüft dann die sogenannten inlandsbezogenen Sachverhalte. Beim Bundesverwaltungsamt laufen die Informationen dann zusammen, dieses nimmt eine Einstufung vor, wählt die Personen aus, die in diesem Monat das Visum erhalten sollen und weist im positiven Fall die Botschaft an, das Visum zu erteilen. Wer nicht ausgewählt wurde, erhält keine ablehnende Entscheidung, sondern muss hoffen, im nächsten, übernächsten oder überübernächsten Monat berücksichtigt zu werden.

2. Elternnachzug zu unbegleiteten minderjährigen (anerkannten) Flüchtlingen (UmF)

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben einen Anspruch darauf, dass ihren Eltern ein Visum zum Familiennachzug erteilt wird (§ 36 Abs. 1 AufenthG). Das gilt aber nur dann, wenn ihnen das BAMF die Asylberechtigung oder Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Wurde nur der subsidiäre Schutz gewährt, greift die oben geschilderte Ermessensregelung.

Drei Dinge sind beim Elternnachzug besonders wichtig: Erstens kommt es darauf an, dass das Kind zum Zeitpunkt der Einreise der Eltern, zumindest zum Zeitpunkt der Visumserteilung, noch minderjährig ist. Diesen Zeitpunkt kann man aber – anders als beim zuvor beschriebenen Kindernachzug zu Eltern, bei dem es auf die Antragstellung ankommt – kaum beeinflussen. Der Anspruch auf Elternnachzug droht also verloren zu gehen, insbesondere weil nicht wenige der UmF kurz vor der Volljährigkeit stehen. In diesen Fällen einer drohenden Anspruchsverfristung kann man beim Auswärtigen Amt einen Sondertermin vereinbaren. Auch kann es sinnvoll sein, in diesen Fällen einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen. Einen fristwahrenden „Drei-Monatsantrag“ muss man beim Elternnachzug dagegen nicht stellen. Zweitens sollten beide Eltern das Visum zusammen beantragen. Beantragt der eine Elternteil das Visum nämlich erst später, nachdem der andere personenberechtigte Elternteil bereits eingereist ist, ist der/die Minderjährige nicht mehr unbegleitet, wenn über das Visum des zurückgelassenen Elternteils entschieden wird. Drittens sollte vorsorglich auch für andere nachzugswillige minderjährige Kinder, also die Geschwister des UmF ein Visumsantrag gestellt werden. Diese haben zwar eigentlich keinen Anspruch auf ein Visum, da sie im Verhältnis zum UmF weder „Eltern“ noch „Ehegatten“ sind und die Eltern selbst (zunächst) nur über ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht verfügen. Da es aber durchaus die rechtlich gut begründbare Möglichkeit eines Visums auch für die Geschwister des UmF gibt, sollte man es in jedem Fall – notfalls gerichtlich beim Verwaltungsgericht in Berlin – versuchen.

Aktueller Hinweis: Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg (EuGH) vom 12. April 2018 (Az.: C-550/16) behält ein unbegleiteter Minderjähriger sein Recht auf Elternnachzug, wenn er zum Zeitpunkt der Asylantragstellung noch minderjährig war und ihm nach Vollenden des 18. Lebensjahrs die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird. Der Entscheidung lag zwar ein Fall aus den Niederlanden zu Grunde, auch für Deutschland ist die Entscheidung aber relevant, denn der EuGH hatte über die Auslegung der sog. Familienzusammenführungsrichtlinie zu entscheiden. Diese EU-Richtlinie enthält auch für Deutschland verbindliche Vorgaben, die bei der Ausgestaltung und Anwendung der nationalen Regelungen zum Familiennachzug zwingend zu beachten sind. Das Auswärtige Amt verneint dennoch die Anwendbarkeit des Urteils in Deutschland, weshalb Visaanträge für die Eltern abgelehnt werden, wenn der/die Stammberechtigte inzwischen volljährig geworden ist. Gegen eine solche Entscheidung kann und sollte man Klage beim VG Berlin erheben.

3. Sonstige Familienangehörige

Andere Familienangehörige (z.B. Geschwister, Großeltern) können ein Visum zum Familiennachzug erhalten, nämlich dann, wenn es zur Vermeidung einer „außergewöhnlichen Härte“ erforderlich ist. Voraussetzung ist ein besonderes Angewiesensein auf familiäre Hilfe. Der/die Familienangehörige darf zu einer eigenständigen Lebensführung nicht in der Lage sein und die deshalb notwendige familiäre Hilfe ist zumutbar nur in Deutschland realisierbar. Ein denkbarer Fall wäre z.B. ein intensiver Pflegebedarf eines sehr betagten oder kranken Familienangehörigen. Die allgemeine Not- und Krisensituation in und um Syrien reicht dagegen nicht aus.

Die Wohnsitzauflage (§ 12a AufenthG)

Die Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG, die 2016 mit dem Integrationsgesetz eingeführt wurde, ist nicht zu verwechseln mit dem, was man im Volksmund als „Residenzpflicht“ bezeichnet. Wer einer Residenzpflicht unterliegt, darf sich nur innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereiches bewegen. Dieser Bereich ist in der Regel der Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde. Eine Residenzpflicht kann in bestimmten Fällen für Personen mit Gestattung oder Duldung gelten. Personen mit Aufenthaltserlaubnis sind von der Residenzpflicht nicht betroffen.

Die Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG richtet sich an Personen, die das Asylverfahren erfolgreich durchlaufen haben, also eine Flüchtlingsanerkennung, den subsidiären Schutz oder ein nationales Abschiebungsverbot erhalten haben, sowie an Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 22 (humanitäre Aufnahme im Einzelfall) oder § 23 AufenthG (Kontingent- und Resettlementflüchtlinge). Die Wohnsitzauflage muss dabei stets mit einer integrationsfördernden Wirkung begründet werden. Das Recht auf freie Wohnsitzwahl darf für maximal drei Jahre beschränkt werden. Die Drei-Jahres-Frist beginnt bei Asylberechtigten, Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten mit der Anerkennung durch das BAMF, nicht etwa erst mit der – ggf. erst mehrere Monate später erteilten – Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde. Für nachziehende Familienangehörige gilt eine für den Stammberechtigten bestehende Wohnsitzauflage in gleicher Weise.
Ursprünglich handelte es sich bei der Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG um eine Übergangsregelung. Sie sollte am 6.8.2019 wieder außer Kraft treten. Mit dem Gesetz zur Entfristung des Integrationsgesetzes vom 12.07.2019 wurde nun der § 12a permanent im Aufenthaltsgesetz verankert. Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Asylverfahren oder nach den §§ 22 und 23 AufenthG werden auch weiterhin eine Wohnsitzauflage für drei Jahre erhalten.

§ 12a Abs. 1 AufenthG begründet zunächst eine gesetzliche Wohnpflicht in dem Bundesland, in dem das Asylverfahren durchgeführt wurde. In Baden-Württemberg soll außerdem der Wohnsitz für eine bestimmte Gemeinde vorgegeben werden. Hierzu hat das Innenministerium im Herbst 2016 Anwendungshinweise erlassen, die eine gleichmäßige Verteilung im Land bezwecken. Bei Personen, die sich bereits in der Anschlussunterbringung befinden, wird die Wohnsitzauflage dabei für die Gemeinde verhängt, in der die Unterkunft liegt. Personen, die ihre Anerkennung in einer LEA oder vorläufigen Unterbringung erhalten, werden zunächst mit einer vorläufigen Wohnsitzauflage belegt, die sie verpflichtet, einstweilen in der LEA/VU wohnen zu bleiben. Dadurch soll verhindert werden, dass sie sich bis zum Erlass der endgültigen Wohnsitzauflage auf eigene Faust eine Wohnung suchen. Mit der vorläufigen Wohnsitzauflage verschaffen sich die Behörden also die notwendige Zeit zur Bestimmung der Gemeinde, für die die endgültige Wohnsitzauflage verhängt werden soll. Bevor dies geschieht, erhält der/die Betroffene die Gelegenheit, sich schriftlich oder mündlich zu äußern. Hier sollten alle Gründe und Interessen des/der Betroffenen vorgetragen werden, die gegen eine Wohnsitzauflage an dem anvisierten Ort sprechen. Dazu gehören vor allem die gesetzlich vorgesehenen Fälle, in denen eine Wohnsitzauflage aufgehoben werden muss. Hier darf sie in der Regel dann auch gar nicht erst erlassen werden.

Das Gesetz zur Entfristung des Integrationsgesetzes regelt auch, dass anerkannte UMAs mit Volljährigkeit eine Wohnsitzauflage bekommen. Die Zeit von der Anerkennung im minderjährigen Alter bis zur Volljährigkeit wird auf die Dreijahresfrist angerechnet.

Die Wohnsitzauflage bestimmt auch den örtlich zuständigen Sozialleistungsträger. Leistungen werden dementsprechend an einem anderen als dem zugewiesenen Ort unter Hinweis auf die örtliche Unzuständigkeit verweigert. Zudem stellen Verstöße gegen die Wohnsitzauflage eine Ordnungswidrigkeit dar. 

Wenn eine Person zum Zeitpunkt der Anerkennung eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche mit einem Einkommen aufnimmt oder aufgenommen hat, durch das diese Person den durchschnittlichen monatlichen Bedarf nach § 20 und § 22 SGB II für eine Einzelperson deckt, dann wird für diese Person und die mit im Haushalt lebenden Familienangehörigen keine Wohnsitzauflage verhängt. Dies gilt nicht nur für die Kernfamilie, sondern seit Sommer 2019 beispielsweise auch für Tante und Onkel, wenn diese mit ihren minderjährigen Nichten und Neffen zusammen wohnen. Der durchschnittliche monatliche Bedarf nach § 20 und § 22 SGB II für eine Einzelperson beträgt derzeit (Stand: Mai 2022) 810 € netto. Hintergrund der Befreiung ist die Überlegung, dass sich eine Beschäftigung regelmäßig integrationsfördernd auswirkt. Das durch Vorlage eines Arbeitsvertrages nachzuweisende Beschäftigungsverhältnis muss voraussichtlich für mindestens drei Monate bestehen.

Umzug bzw. Aufhebung oder Änderung der Wohnsitzauflage

Besitzt eine Person eine Wohnsitzauflage und möchte sie umziehen, so muss sie zuvor einen Antrag auf Aufhebung bzw. Änderung der Wohnsitzauflage stellen. Liegt der neue Wohnort ebenfalls in Baden-Württemberg, entscheidet über den Antrag die Ausländerbehörde des Zuzugsorts (§ 3 Abs. 1 Satz 3 AAZuVO BW). Soll der Umzug in ein anderes Bundesland stattfinden, so entscheidet über die Aufhebung bzw. Änderung der Wohnsitzauflage die Ausländerbehörde es derzeitigen Wohnsitzes. Die Ausländerbehörde am Zuzugsort muss dem Umzug allerdings zustimmen. Möchte sie den Umzug ablehnen, hat sie hierzu vier Wochen Zeit. Äußert sie sich nicht innerhalb dieses Zeitraumes, so gilt die Zustimmung als erteilt (§ 72 Abs. 3a AufenthG).

Wurde eine Wohnsitzauflage erteilt und wird zu einem späteren Zeitpunkt der Nachweis erbracht, dass dem/der AntragstellerIn, dem/der EhegattIn oder dem minderjährigen Kind eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Mindesteinkommen i.H.v. 810 € netto zur Verfügung steht oder der Lebensunterhalt durch Einkommen (z.B. aufgrund selbstständiger Tätigkeit) gesichert ist, dann muss die bestehende Wohnsitzauflage aufgehoben werden. Dies gilt auch für die mit im Haushalt lebenden Verwandten des minderjährigen Kindes. Auch ein an einem anderen Ort verfügbarer Ausbildungs- oder Studienplatz begründet einen Anspruch auf Aufhebung der Wohnsitzauflage. Das Gleiche gilt bei berufsorientierenden und -vorbereitenden Maßnahmen für eine entsprechende betriebliche Ausbildung als auch für studienvorbereitende Maßnahmen. Mit dem Gesetz zur Entfristung des Integrationsgesetzes vom 12.07.2019, wurde neu geregelt, dass die Wohnsitzauflage erneut erteilt wird, wenn die Gründe, die zur Aufhebung der Wohnsitzauflage geführt haben, in den ersten drei Monaten nach Aufhebung wegfallen. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die kürzlich aufgenommene Arbeitsstelle wieder gekündigt wird. Ist die Person bereits umgezogen, so gilt die Wohnsitzauflage für den Ort, an den sie ihren Wohnsitz verlegt hat.

Die Wohnsitzauflage muss außerdem aufgehoben werden, wenn ein Mitglied der Kernfamilie oder ein verwandtes minderjähriges Kind, mit dem die Person in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt hat, an einem anderen Ort wohnt.
Liegt eine Härte vor, muss die Wohnsitzauflage zur Vermeidung dieser Härte auf einen neuen Wohnsitz abgeändert werden (§ 12a Abs. 5 AufenthG). Dies kann z.B. der Fall sein, wenn Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe an einem anderen Ort in Anspruch genommen werden und die ganze Familie aufgrund der langen Anfahrtswege an diesen Ort umziehen muss, wenn ein Betreuungsbedarf von Angehörigen mit einer Behinderung besteht oder ein Umzug aufgrund gewalttätiger (Ex-)PartnerInnen notwendig ist.

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Widerrufsverfahren

Einen Schutzstatus, den man im Asylverfahren hat, behält man nicht automatisch lebenslang. Wenn das BAMF der Meinung ist, dass die Voraussetzungen, die zur Erteilung des Schutzstatus nicht mehr vorliegen, wird dieser widerrufen oder zurückgenommen. Dies kann passieren, wenn sich z.B. die Situation im Herkunftsland verändert hat oder die betroffene Person unrichtige Angaben gemacht/bestimmte Dinge verschwiegen hat.
Ein Widerruf/eine Rücknahme setzt ein vorgeschriebenes Prozedere voraus, das nicht von „heute auf morgen“ stattfindet: Zunächst informiert das BAMF die betroffene Person über die Einleitung des Widerrufs-/Rücknahmeverfahrens (§ 73 Abs. 4 AsylG). Die Person hat dann eine Frist von einem Monat, um schriftlich alle Gründe vorzutragen, die dafür sprechen, dass der Schutzstatus nicht widerrufen werden sollte. Hier ist es wichtig, die Stellungnahme gut vorzubereiten, am besten mit anwaltlicher Unterstützung oder mit einer kompetenten Beratungsstelle. Neue Beweise, die eine Gefährdung im Herkunftsland glaubhaft machen, sollten unbedingt eingereicht werden. Auch Themen, die im ursprünglichen Asylverfahren keine Rolle gespielt haben, können von Bedeutung sein – beispielsweise gesundheitliche Probleme. Es ist nämlich möglich, dass ein Schutzstatus widerrufen wird, aber ein anderer, niedrigerer Schutzstatus vergeben wird. Beispielsweise kann eine Flüchtlingsanerkennung widerrufen und ein Abschiebungsverbot festgestellt werden (§ 73 Abs. 3 AsylG).
Das BAMF nimmt die Stellungnahme der betroffenen Person zur Kenntnis und trifft eine Entscheidung, die in einem Bescheid mitgeteilt wird. Wenn der Schutzstatus widerrufen wird, kann gegen den Widerruf geklagt werden. Diese Klage hat in aller Regel aufschiebende Wirkung (Ausnahme: Wenn der Schutzstatus widerrufen wurde, weil Ausschlussgründe eingetreten sind, schwere Straftaten begangen wurden oder die Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt (§ 75 Abs. 2 AsylG)).
Während der laufenden Klage hat die schutzberechtigte Person also weiterhin Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Erst wenn der Widerruf bestandskräftig wird, kann die Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis entweder nachträglich befristen oder einfach auslaufen lassen.
Wenn die schutzberechtigte Person zum Zeitpunkt des Widerrufs eine Niederlassungserlaubnis hat, hat die Ausländerbehörde eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob diese ebenfalls widerrufen wird oder nicht (§  52 Abs. 1 AufenthG). Hierbei spielt in der Praxis die Bewertung der Integrationsleistungen und des bisherigen Verhaltens der betroffenen Person eine wichtige Rolle.

Mitwirkungspflichten bei der Prüfung eines Widerrufs-/Rücknahmeverfahrens

Bis Dezember 2018 gab es keine Rechtsgrundlage, um Schutzberechtigte zur Mitwirkung zu verpflichten, wenn es um die Prüfung der Voraussetzungen für ein mögliches Widerrufs-/Rücknahmeverfahren ging. Dies betraf vor allem Personen, die 2015/16 ohne individuelle Anhörung im schriftlichen Verfahren anerkannt worden waren. In diesen Fällen stellt sich aus Sicht des BAMF das Problem, dass keine individuellen Fluchtgründe aktenkundig sind- diese also auch nicht überprüft werden können. Um diese Personen zu Anhörungen verpflichtend zu laden und sie zu ihren Fluchtgründen zu befragen, wurde das Gesetz geändert. Sollten sie unentschuldigt fehlen und trotz erneuter Aufforderung nicht zur Anhörung erscheinen, sieht das Gesetz die Möglichkeit einer Entscheidung nach Aktenlage sowie Zwangsmittel wie z.B Zwangsgeld vor. (§ 73 Abs. 3a AsylG)

Aufenthaltsverfestigung

Asylberechtigte, Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben nach einem bestimmten Zeitraum die Möglichkeit, ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, eine sog. Niederlassungserlaubnis zu erhalten. Auch hier muss wieder zwischen Flüchtlingen bzw. Asylberechtigten einerseits und Personen mit anderen humaniären Aufenthaltstitels (z.B. subsidiär Schutzberechtigten) andererseits unterschieden werden:

Nach dem Integrationsgesetz ist die Niederlassungserlaubnis als Belohnung für gelungene Integrationsleistungen ausgestaltet. Wer diese nicht erbringt, erhält – bei fortbestehender Bedrohung im Heimatland – weiterhin nur eine (dreijährige) Aufenthaltserlaubnis. Konkret hat ein/eine anerkannter Flüchtling/Asylberechtigte/r  ebenso wie eine Person mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 4 (Aufnahmeprogramme des Bundes) in der Regel unter folgenden Voraussetzungen Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 Satz 1 AufenthG:

  • 5 Jahre Besitz Aufenthaltserlaubnis
    • Anders als bislang wird die Dauer des Asylverfahrens angerechnet mit der Folge, dass im Einzelfall eine Niederlassungserlaubnis früher als nach altem Recht möglich ist, insbesondere, wenn das Asylverfahren länger als zwei Jahre gedauert hat.
  • Lebensunterhalt des/der AntragstellerIn ist überwiegend (> 50 %) gesichert
  • Hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (= A2-Niveau)
  • Ausreichender Wohnraum für die Person und mit ihr zusammenlebende Familienangehörige
  • Grundkenntnisse über die Rechts- und Gesellschaftsordnung/Lebensverhältnisse in der BRD
    • Von den zuvor genannten Voraussetzungen gelten ggf. Ausnahmen, wenn sie krankheits-, behinderungs- oder altersbedingt nicht erfüllt werden können.
  • Keine Mitteilung des BAMF über (geplanten) Widerruf der Flüchtlingsanerkennung, bzw. bei Personen, die in den Jahren 2015-2017 anerkannt wurden, muss das BAMF mitgeteilt haben, dass kein Widerrufsverfahren durchgeführt wird.
  • Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG (z.B. Erfüllung der Passpflicht, geklärte Identität)
    • Auf die in § 5 Abs. 2 AufenthG genannten Voraussetzungen (v.a. Einreise mit dem erforderlichen Visum)  wird laut  § 5 Abs. 3 Satz 4 AufenthG verzichtet..
  • Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 4-6 AufenthG

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers besonders gut integrierte Flüchtlinge können die Niederlassungserlaubnis früher erhalten und zwar gemäß § 26 Abs. 3 Satz 3 AufenthG unter folgenden (besonderen) Voraussetzungen:

  • 3 Jahre Besitz Aufenthaltserlaubnis
    • Auch hier wird die Dauer des Asylverfahrens angerechnet (§ 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG).
  • Beherrschen der deutschen Sprache (C1-Niveau)
  • Lebensunterhalt muss weit überwiegend gesichert sein  (In der Praxis wird hier häufig ein Anteil von 80% verlangt)
    • Ausnahmen – z.B. wegen krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit oder wegen behinderungsbedingter Unmöglichkeit des Spracherwerbs – sind hier nicht möglich.

Subsidiär Schutzberechtigte oder Personen mit einer anderen Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen müssen für den Erhalt einer Niederlassungserlaubnis demgegenüber weiterhin die „normalen“ Voraussetzungen erfüllen (vgl. § 26 Abs. 4 AufenthG). Dies sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG z.B.:

  • 5 Jahre Besitz der Aufenthaltserlaubnis
    • Die Dauer des Asylverfahrens wird angerechnet (§ 26 Abs. 4 Satz 2 AufenthG).
  • Deutschkenntnisse auf B1-Niveau
  • Ausreichender Wohnraum für die Person und mit ihr zusammenlebende Familienangehörige
  • Grundkenntnisse über die Rechts- und Gesellschaftsordnung/Lebensverhältnisse in der BRD
  • gesicherter Lebensunterhalt
  • mind. 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung

Von den zuvor genannten Voraussetzungen gelten teilweise Ausnahmen, wenn sie krankheits-, behinderungs- oder altersbedingt nicht erfüllt werden können.

Einbürgerung

Personen mit bestimmten Aufenthaltserlaubnissen oder mit einer Niederlassungserlaubnis können sich unter bestimmten Voraussetzungen einbürgern lassen und erhalten dann einen deutschen Pass.

Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es einen Anspruch auf Einbürgerung (§ 10 StAG). Bei Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen wird geprüft, ob eine Ermessenseinbürgerung (§ 8 StAG) in Betracht kommt.