Nach der Ablehnung des Asylantrags – Klage und Eilantrag

Wird ein Asylantrag abgelehnt, steht man regelmäßig vor der Frage, „vor Gericht zu ziehen“. Was es dabei zu beachten gilt, zeigt nachfolgender Überblick.

Allgemeines

Wird ein Asylantrag (teilweise) abgelehnt, besteht immer (!) die Möglichkeit, die behördliche Entscheidung durch das zuständige Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen. In Baden-Württemberg gibt es in der ersten Instanz vier Verwaltungsgerichte (Freiburg, Karlsruhe, Sigmaringen, Stuttgart). Welches Gericht zuständig ist, ergibt sich aus der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung. Unter bestimmten Voraussetzungen kann man gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte auch noch in zweiter Instanz beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) vorgehen, der seinen Sitz in Mannheim hat.

Ob der Gang vor Gericht sinnvoll ist, ist eine Frage des Einzelfalls und in erster Linie eine Entscheidung des/der AsylantragstellerIn, vor der er/sie sich aber sinnvollerweise durch eine kompetente Stelle (Rechtsanwalt/anwältin, Flüchtlingsberatungsstelle) beraten lassen sollte. Auf der Website des Flüchtlingsrats finden Sie eine Liste mit Beratungsstellen und RechtsanwältInnen.

Wie werden Klage bzw. Eilantrag eingereicht?

Um wirksam Klage bzw. einen Eilantrag einzureichen, braucht man in der ersten Instanz, also vor dem Verwaltungsgericht, grundsätzlich keine/n Anwalt/Anwältin. „Notfalls“ kann die Klage deshalb auch alleine eingereicht werden, insbesondere um zu verhindern, dass die Frist verstreicht. Da die/der AsylantragstellerIn die/der KlägerIn ist, ist es wichtig, dass die Klage ihre/seine (!) Unterschrift trägt. Die Klage muss nicht sofort begründet werden. Muster für Klage und Eilantrag finden Sie auf der Website des Flüchtlingsrats Thüringen.

Die Klage muss in Schriftform eingereicht werden (§ 81 Abs.1 VwGO). Zur Fristwahrung reicht die Klageerhebung per Fax. Alternativ kann die Klage auch am Sitz des zuständigen Verwaltungsgerichts zu Protokoll gegeben werden. Die Verwaltungsgerichte haben hierfür Rechtsantragsstellen eingerichtet (Geschäftszeiten beachten!). Die/der AntragstellerIn sollte hierfür mindestens den BAMF-Bescheid mitbringen, gegen den sie/er vorgehen will. Nähere Informationen finden Sie auf den Webseiten der jeweiligen Verwaltungsgerichte (Karlsruhe, Sigmaringen, Stuttgart, Freiburg).

Anwaltskosten

Wird ein/e Rechtsanwalt/anwältin beauftragt, trägt die Kosten hierfür (zunächst) die geflüchtete Person. Grundlage ist der zwischen Anwalt/Anwältin und geflüchteter Person (= AuftraggeberIn) geschlossene „Beratungsvertrag“, der unterschiedlich ausgestaltet sein kann. In der Regel werden eine Vorschusszahlung und hinsichtlich des Restbetrags „Ratenzahlung“ vereinbart. Hat die Klage (vollständig) Erfolg, werden dem Geflüchteten die Verfahrenskosten, wozu auch die Rechtsanwaltskosten zählen, von der Gegenseite, also dem BAMF, genauer: der Bundesrepublik Deutschland, erstattet. Es gilt der Grundsatz „Die/Der VerliererIn zahlt“. Zudem gibt es die Möglichkeit, beim zuständigen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu stellen. Neben der finanziellen Bedürftigkeit der Klägerin/des Klägers ist Voraussetzung, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Unter Umständen kann der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg auch einen Antrag auf Bezuschussung der Rechtsanwaltskosten beim Rechtshilfefonds von PRO ASYL einreichen.

Adresswechsel

Da die Rechtsbehelfsfristen im Asylverfahren sehr knapp bemessen sind, ist nach Erhalt des BAMF-Bescheids Eile geboten. Wie viel Zeit für eine Klage (und ggf. einen Eilantrag) zur Verfügung steht, hängt von der Art der Ablehnung ab (siehe dazu „Typische Ablehnungsarten und einzuhaltende Fristen). Die im konkreten Fall einzuhaltende Frist ergibt sich ebenso wie das zuständige Verwaltungsgericht aus der Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des Bescheids. Sie beginnt mit ordnungsgemäßer Zustellung. An dieser Stelle ist auf eine wichtige Mitwirkungspflicht von AsylbewerberInnen hinzuweisen: Diese sind während des gesamten Asylverfahrens verpflichtet, den zuständigen Behörden ihre aktuelle Anschrift mitzuteilen (§ 10 Abs. 1 AsylG). Ändert sich also während des Asylverfahrens die Adresse, muss die neue Anschrift unverzüglich, d.h. schnellstmöglich, dem BAMF, der Ausländerbehörde und – wenn ein gerichtliches Verfahren läuft – auch dem Gericht mitgeteilt werden. Man kann und darf sich hier nicht darauf verlassen, dass die Behörden eine neue Anschrift untereinander austauschen werden, selbst wenn der Umzug z.B. von der Ausländerbehörde veranlasst wurde. Bitte unterschätzen Sie diese Mitwirkungspflicht nicht: Wird etwa der ablehnende Bescheid an die alte Adresse verschickt, weil die neue dem BAMF nicht mitgeteilt wurde, läuft man Gefahr, die Klagefrist zu versäumen. In Fällen, in denen man gute Chancen gehabt hätte, vor Gericht zu „gewinnen“, ist das offenkundig besonders fatal. Die Mitteilung der neuen Anschrift sollte wenn möglich per Fax oder E-Mail erfolgen und stets das Aktenzeichen des BAMF enthalten. Auf diese Weise hat man einen Nachweis, dass die Mitwirkungspflicht erfüllt wurde.

Typische Ablehnungsformen und einzuhaltende Fristen

Ein Asylantrag kann auf verschiedene Arten abgelehnt werden, wobei sich die Ablehnungsart üblicherweise bereits aus Ziffer 1 des Bescheids, dem sogenannten Tenor, ergibt. Die „typischen“ Ablehnungsformen und ihre Unterschiede werden nachfolgend kurz erläutert, wobei die Formulierungen in der Praxis leicht variieren können.

Beispiel 1: „Der Asylantrag wird als unzulässig abgelehnt.“

Wird ein Antrag als „unzulässig“ abgelehnt, so sieht man daran zunächst, dass keine bzw. keine erneute inhaltliche Prüfung des Asylantrags stattgefunden hat. Das ist vor allem bei sogenannten „Dublin-Entscheidungen“ der Fall. Die Ablehnung als unzulässig erfolgt hier deshalb, weil nach Auffassung des BAMF die Zuständigkeit für die inhaltliche Prüfung nicht bei Deutschland, sondern einem anderen „Dublin-Staat“ liegt (>> Dublin-Verfahren). Aussage des Bescheids ist also nicht, dass die/der AntragstellerIn kein anerkannter Flüchtling (oder subsidiär Schutzberechtigte/r) ist, sondern „nur“, dass dies nicht durch Deutschland, sondern den für die inhaltliche Prüfung zuständigen „Dublin-Staat“ geprüft wird. Deutschland darf deshalb auch nicht die Abschiebung in den Herkunftsstaat der antragstellenden Person anordnen, sondern allein in den für zuständig gehaltenen „Dublin-Staat“. Welcher Staat dies ist, ergibt sich regelmäßig aus Ziffer 2 des Bescheids. Diese würde bei einer unterstellten Zuständigkeit Italiens etwa lauten: „Die Abschiebung nach Italien wird angeordnet.“

Gegen den „Dublin-Bescheid“ kann innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids an die antragstellende Person Klage, und zwar regelmäßig eine sogenannte Anfechtungsklage, erhoben werden (§ 74 Abs. 1 AsylG). Allerdings hindert eine fristgerecht eingereichte Klage die deutschen Behörden nicht an einer Abschiebung der antragstellenden Person Antragstellers. Das liegt daran, dass der Klage die sogenannte „aufschiebende Wirkung“ fehlt, sie die Vollstreckung der Ausreisepflicht also nicht „aufschiebt“ (§ 75 Abs. 1 AsylG). Einen zuverlässigen (vorläufigen) Abschiebungsschutz kann man hier nur durch einen zusätzlichen Eilantrag, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, erzielen. Auch für den Eilantrag gilt eine Frist von einer Woche (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG). Zumindest für die Dauer des Eilverfahrens – eine Entscheidung ergeht üblicherweise innerhalb weniger Wochen – besteht Abschiebungsschutz (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG). Hat der Eilantrag Erfolg, ordnet das Verwaltungsgericht also die aufschiebende Wirkung an, ist die antragstellende Person bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Klage vor einer Abschiebung sicher. Wird der Eilantrag abgelehnt, darf die Abschiebung dagegen grundsätzlich vollzogen werden. Weil ein abgelehnter Eilantrag die sechsmonatige Überstellungsfrist erneut in Gang setzt, sollte ein Eilantrag nicht leichtfertig und nur von AsylrechtsspezialistInnen gestellt werden.

Schließlich kann nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG auch ein Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt werden, wenn kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, etwa wenn sich aus Sicht des BAMF im Vergleich zum vorherigen Asylantrag keine asylrelevanten Umstände geändert haben. Auch hier besteht akute Abschiebungsgefahr, die regelmäßig nur durch einen gerichtlichen Eilantrag gebannt werden kann.

Nicht immer handelt es sich bei einer Ablehnung als unzulässig um einen „Dublin-Fall“. Mit dem Integrationsgesetz sind in § 29 AsylG verschiedene weitere „Unzulässigkeitsgründe“ eingeführt worden. Praxisrelevant ist vor allem der Fall, dass der antragstellenden Person bereits in einem anderen EU-Land der Flüchtlingsstatus oder subsidiärer Schutz (= internationaler Schutz) gewährt wurde (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Damit ist die antragstellende Person vor den in ihrem Heimatland drohenden Gefahren geschützt, sodass Deutschland keinen Anlass hat, sie „noch einmal“ hiervor zu schützen. Die antragstellende Person läuft deshalb zwar nicht Gefahr, in ihr Herkunftsland abgeschoben zu werden, denn der im Ausland gewährte Schutzstatus verbietet es auch Deutschland, sie in ihr Herkunftsland zurückzuführen. Allerdings ist sie grundsätzlich verpflichtet, für eine bestimmte Zeit in dem Land zu leben, das ihr den Schutz und die Aufenthaltserlaubnis erteilt hat, sodass eine Abschiebung in diesen Staat droht. Angesichts der prekären Lebensumstände für geflüchtete Menschen in einigen EU-Staaten ist dies häufig kaum weniger dramatisch als eine Rückkehr in ihre Heimat. Auch gegen eine solche Entscheidung kann geklagt werden, wobei stets rechtsanwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden sollte. Da die Klage keine aufschiebende Wirkung hat, muss für wirksamen Abschiebungsschutz ggf. zusätzlich ein Eilantrag gestellt werden. Für beide gilt eine Frist von einer Woche (§ 36 Abs. 3 Satz 1, § 74 Abs. 1 AsylG).

Beispiel 2: „Der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wird abgelehnt.“

Das Beispiel zeigt den gesetzlichen Normalfall einer Ablehnung. Häufig spricht man auch von einer „einfachen“ – im Unterschied zu einer „offensichtlich unbegründeten“ – Ablehnung. Gegen den Bescheid kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Klage erhoben werden (§ 74 Abs. 1 , § 38 AsylG). Für die Begründung der Klage hat man etwas mehr Zeit, nämlich einen Monat ab Bescheidzustellung (§ 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG). Bereits die Klage hat hier aufschiebende Wirkung. Bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist die/der KlägerIn deshalb vor einer Abschiebung sicher. Eines zusätzlichen Eilantrags bedarf es nicht. Bis das Verwaltungsgericht entscheidet – in der Regel auf Grundlage einer mündlichen Verhandlung – können Monate, teilweise Jahre vergehen. Für die/den KlägerIn bedeutet dies einerseits, dass der Zustand der Ungewissheit andauert. Andererseits darf auch nicht übersehen werden, dass damit Zeit für eine weitere Integration zur Verfügung steht. Auch die Aufenthaltsgestattung bleibt während des Klageverfahrens bestehen (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylG).

Beispiel 3: „Der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.“

Das BAMF kann einen Asylantrag auch als offensichtlich unbegründet ablehnen (= sog. o.u.-Ablehnung). In der Praxis geschieht dies häufig bei Personen, die aus sog. sicheren Herkunftsstaaten kommen. Welche dies sind, ergibt sich aus dem Gesetz (§ 29a AsylG i.V.m. Anlage II). Derzeit werden als sicher eingestuft: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Ghana und Senegal. Staaten, die das Gesetz nicht auflistet, können unter keinen Umständen als sichere Herkunftsstaaten behandelt werden. Afghanistan, Tunesien, Marokko und Algerien sind deshalb keine sicheren Herkunftsstaaten.

Auch Asylanträge von Personen, die nicht aus sicheren Herkunftsstaaten kommen, kann das BAMF als offensichtlich unbegründet ablehnen. Nach § 30 Abs. 3. Nr. 1 AsylG ist dies z.B. möglich, wenn das Vorbringen in wesentlichen Punkten unsubstantiiert oder in sich widersprüchlich ist. Daran zeigt sich, wie wichtig eine Vorbereitung auf den Anhörungstermin ist.

Der Unterschied zwischen einfacher und offensichtlich unbegründeter Ablehnung zeigt sich vor allem beim gerichtlichen Rechtsschutz. Bei letzterer, also der o.u.-Ablehnung, gilt eine Klagefrist von einer Woche. Da die Klage aber keine aufschiebende Wirkung hat, die/den KlägerIn also nicht vor Abschiebung schützt, muss zusätzlich ein Eilantrag bei Gericht gestellt werden. Über diesen entscheidet das Gericht üblicherweise innerhalb weniger Wochen. Der Eilantrag muss deshalb sogleich umfassend begründet werden. Die Entscheidung über den Eilantrag wird „am Schreibtisch“ auf Grundlage der Akten durch die/den sog. EinzelrichterIn getroffen. Eine mündliche Verhandlung findet nicht statt. Wird der Eilantrag abgelehnt, kann diese Entscheidung nicht mit weiteren Rechtsmitteln angegriffen werden. Sie ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Daran wird deutlich: Wird ein Asylantrag „nur“ als unbegründet abgelehnt, bleiben der antragstellenden Person ggf. noch mehrere Jahre in Deutschland ohne einer Abschiebungsgefahr ausgesetzt zu sein, während bei einer „ou-Ablehnung“ eine Abschiebung schon nach wenigen Wochen möglich sein kann.

Exkurs: „Der subsidiäre Schutzstatus wird zuerkannt. Im Übrigen wird der Asylantrag abgelehnt.“

Der Vollständigkeit halber sei noch auf eine Konstellation hingewiesen, die in 2016 eine hohe praktische Bedeutung gewonnen hat und die vor allem Geflüchtete aus Syrien, zunehmend aber auch aus Eritrea betrifft. Im Beispiel wurde „nur“ der subsidiäre Schutzstatus gewährt. Der ebenfalls beantragte Flüchtlingsschutz (und ggf. die Asylberechtigung) wurde dagegen abgelehnt, was aus der Formulierung „im Übrigen“ hervorgeht. Auch gegen diese (teilweise) Ablehnung kann die antragstellende Person klagen und damit versuchen, den Flüchtlingsschutz doch noch vor Gericht zu erstreiten.

Eine Klage kann durchaus sinnvoll sein, denn der Flüchtlingsstatus vermittelt weiterreichende Rechte etwa im Bereich des Familiennachzugs oder der Niederlassungserlaubnis. Da im Beispiel bei der Ablehnung der Zusatz „offensichtlich unbegründet“ fehlt, handelt es sich – in Bezug auf den Flüchtlingsschutz – um eine „normale“ Ablehnung; dementsprechend beträgt die Klagefrist zwei Wochen. Der subsidiäre Schutz kann dabei keinesfalls mehr verloren gehen, weshalb eine Abschiebungsgefahr nicht besteht. Auch muss die Ausländerbehörde der antragstellenden Person eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Diese darf sie nicht unter Hinweis auf das noch laufende Gerichtsverfahren verweigern. Bereits der subsidiäre Schutz begründet einen gesetzlichen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG: „ist...zu erteilen“). Hier verpflichtet § 10 Abs. 1 AufenthG die Ausländerbehörde zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, auch wenn ein Teil des Asylverfahrens noch nicht abgeschlossen ist.