Flüchtlingsarbeit in Baden-Württemberg

Bild: Renate Huober

Mahnwache in Ellwangen protestierte gegen EU-Türkei-Abkommen

Bericht / Presseerklärung von Gerhard Schneider (Mahnwache Ellwangen)

Scharf kritisierten die RednerInnen aus dem Kreis der aufrufenden Gruppen bei der Mahnwache am vergangenen Samstag (16. April) in Ellwangen die verantwortungslose Politik, mit der die EU-Mitgliedsstaaten versuchten, ihre Länder vor den Menschen auf der Flucht abzuschotten, statt ihnen zu helfen und die Fluchtursachen zu bekämpfen. Gudrun Loeffler (Aktionsbündnis Mahnwache), Karin Böhme (Friedenskreis der ev. Kirchengemeinde), Pater Reinhold Baumann (Comboni-Missionare), Renate Huober (Freundeskreis Asyl) und Josef Baumann (Ellwanger Friedensforum) verurteilten das Abkommen zwischen der EU und der Türkei als Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und die UN-Menschenrechtscharta. Europa verabschiede sich mit diesem Vertrag (von dem nicht einmal eine deutsche Fassung vorliege) von seinen Werten, empörten sich die SprecherInnen.

Mehr als 60 TeilnehmerInnen mit zahlreichen Transparenten unterstrichen den Protest mit starkem Beifall und forderten mit einem gemeinsamen Gesang die Achtung der Menschenrechte und des Prinzips  "Überwindet Gewalt", bevor Gerhard Schneider (ver.di) die Mahnwache mit der Mahnung beendete: "Das Flüchtlingsdrama ist ein Appell zum Umsteuern. Die vor Krieg und Elend Flüchtenden dürfen nicht weiterhin durch die beschämemde Unterfinanzierung der UN-Hilfsorganisationen förmlich auf den Weg nach Europa gezwungen werden. Die Europäische Union darf kein Bollwerk errichten gegen Menschen, die vor Verfolgung und Bombenterror flüchten, egal aus welchem Land sie kommen. Europa würde daran scheitern, sowohl politisch als auch moralisch."

 

Gerhard Schneider,Mahnwache am16.04.2016: „Wenn die Vernunft schläft, gebiert sie Ungeheuer“ (Francisco de Goya, 1799).

 ►Das Flüchtlingsdrama: ein Appell zum Umsteuern. In Europa und in Deutschland.

 Die Vernunft fordert Mut: „Aus dem Flüchtlingsdrama ist eine politische Herausforderung geworden. Das Ziel eines freundschaftlichen Miteinanders in einem Europa der Vielfalt wird zwischen nationalistischen Egoismen und menschen- feindlicher Abschottungspolitik zerrieben. Auch Deutschland steht vor einer gigantischen Herausforderung, die viele Menschen verunsichert und die nur bewältigt werden kann, wenn die politisch Verantwortlichen mutig und zielstrebig Kurs nehmen auf ein zukunftsfähiges, gerechtes und starkes Gemeinwesen.

Da aber die für ein solches Umdenken und Umsteuern notwendige Konsequenz bisher fehlt, entsteht ein Klima, in dem Sorgen in Ängste verwandelt werden: vor Überforderung, Überfremdung, Übervorteilung. Das Schüren von Angst gibt rückwärtsgewandten, fremdenfeindlichen, völkischenund rechtsnationalistischen Parteien in Deutschland und anderen europäischen Ländern Auftrieb.

Aus dieser politischen Sackgasse kommen wir nur heraus, wenn wir die Flüchtlingskrise als Appell begreifen. Sie bringt die politischen Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit schlagartig ans Licht. Der mangelnde Wille zur solidarischen Zusammenarbeit in Europa ist Ergebnis eines seit Jahren beschrittenen Weges der Europäischen Union, der die Mitgliedsländer zu Konkurrenten untereinander gemacht und zwischen Stärkeren und Schwächeren gespalten hat. Dem europäischen Haus fehlt das soziale undsolidarische Fundament. In Deutschland zeigt sich, wie falsch das starre Festhalten an einer Politik ist, der die „schwarze Null“ wichtiger ist als ein zukunftsfähiges Gemeinwesen. So führt uns die Flüchtlingsproblematik brutal vor Augen, wie überfällig ein radikales politisches Umsteuern ist.

Der Kurswechsel beginnt mit einem großen humanitären Sofortprogramm Europas. Die vor Krieg und Elend Flüchtenden dürfen nicht weiterhin durch die beschämende Unterfinanzierung der UN-Hilfsorganisationen förmlich auf den Weg nach Europa gezwungen werden. Sie benötigen in ihrer Region Existenz-, Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten. (…) Die Europäische Union darf kein Bollwerk errichten gegen Menschen, die vor Verfolgung und Bombenterror flüchten, egal aus welchem Land sie kommen. Europa würde daran scheitern, sowohl politisch als auch moralisch.

►Politisch wird Europa seine Probleme nur lösen können, wenn es sich seiner eigenen Verantwortung für die Bekämpfung der Fluchtursachen stellt und sich nicht von Regierungen wie der in der Türkei abhängig macht.

►Und moralisch werden durch jede Form der völkerrechtswidrigen Abschottung die europäischen Werte mit den Füßen getreten.

►Die UN-Flüchtlingskonvention und das Grundrecht auf Asyl sind unantastbar!“

(zit. nach einem Auszug aus “Das Flüchtlingsdrama: ein Appell zum Umsteuern“, hrsg. von 72 Erstunterzeichnern

aus Politik, Gewerkschaften und Verbänden und aus der Wissenschaft. Erschienen am 14.04.2016)

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